Heute war ich so erschöpft, dass ich an der zweiten Yoga-Einheit nicht teilnehmen konnte. Ich lag auf dem Boden und starrte Löcher in die Decke und fühlte mich nicht in der Lage, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Da ging mir auf, dass ich in den letzten Wochen kein einziges Mal einfach nur ein paar Stunden dagelegen bin, um einmal nichts zu machen und zu entspannen. Das erklärt mir im Nachhinein auch meine Schlaflosigkeit und Abgeschlagenheit. Ich bin schon wieder unbemerkt in einen Zustand der Überstimulation hineingerutscht. Das ist wohl der Überschuss des Feuerelementes Pitta, das Dr.Pratish in der Ayurvedaklinik bei mir festgestellt hat.
Das kennen bestimmt die meisten von euch, dass Zeit optimal ausgenutzt werden will, natürlich auf Kosten der Ruhephasen. Lange, übervolle Tage und ein Geist, der angesichts all der Eindrücke langsam ins Stolpern gerät.
Ich habe das gemeinsame Abendessen ausgelassen und bin für mich selbst geblieben. In der Abenddämmerung machte ich mich daran den Berg zu erklimmen, um über das nahe gelegene Dharmakot einen Waldspaziergang in der Umgebung zu machen, um meine Eindrücke sacken zu lassen.
Ich bin nach wie vor fasziniert, wie hier durch den neuen Input jede Woche weitreichende, persönliche Erkenntnisse heranreifen und Puzzleteile an ihre Stelle fallen, um endlich den Blick auf das gesamte Bild zu ermöglichen. Am Anfang zweifelte ich ja noch, dass mich dieses Wissen zu einer besseren Yogalehrerin machen würde, weil es sich nicht um praktisches Wissen handelte. Aber diese Erkenntnisse beantworten Fragen, die mir schon lang auf der Seele brannten. Es macht mich zu einem kompletteren Menschen und heilt Wunden, die ich lange gar nicht anzusehen gewagt hatte. Und ja, es wird mich über Umwege zu einer besseren Lehrerin werden lassen, weil hier Persönlichkeit geformt wird. Den Feinschliff des Unterrichtens kann ich mir im Laufe der Zeit über learning by doing erschließen.
Im Ayurveda geht man von drei Persönlichkeits- und Körpertypen aus, den tridosha (vatta, pitta, kapha), die sich in drei Geisteszuständen befinden können, den triguna (sattva, rajas, tamas). Dieses Konzept der ayurvedischen Psychologie war mir bereits bekannt, aber als ich auf meinem Spaziergang war, wurde mir klar, wie sehr mein Typ Mensch Erdung braucht. Ich vergegenwärtigte mir, welches Ungleichgewicht entstanden war und was die Ursachen sind. Ich lebe ein geruhsameres Leben hier als der Durchschnitts-Stadtmensch, aber bereits das reichte aus, um mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nützlich ist das Wissen darüber wer man ist, was man braucht und was nicht.
Es ist mir schon lang klar, dass Kaffee und Co. nicht gut für mich sind, aber mit dem Überblick über die Geisteszustände, leuchtete mir viel mehr ein, dass mit meiner Prädisposition, diese Stimulanzien noch verheerender wirken. Auch die Hyperaktivität, die meinem Ego das wohltuende Gefühl gibt energetisch und effizient zu sein, schade mir.
Manchmal habe ich das Gefühl lange das Leben eines anderen geführt zu haben. Aber, wenn man sich selbst nicht erkennt, wie soll man dann das Leben wählen, für das man eigentlich gemacht ist.
Heute Morgen machten wir eine Meditation, die Eindrücke aus vergangenen Leben ans Tageslicht befördern soll. So weit will ich nicht gehen dies zu glauben, aber ich denke, es sind zumindest Bilder aus meinem Unterbewusstsein, die sich mir eröffnet haben. Zu sehen war die Transformation, des verschüchterten kleinen Mädchens in Lackschuhen, die sich an ihren übergroßen Teddybären klammerte, zu einer gefestigten älteren Frau in einem Heißluftballon. Sie war allein im Korb, aber nicht einsam. Sie blickte über das grüne Blätterdach des tropischen Waldes unter ihr, aus dem vereinzelt Spitzen der Tempeldächer herausragten. Nicht schön, aber praktisch gekleidet, den Blick auf den Horizont geheftet, strahlte sie eine Ruhe aus. Bereit zu erkunden, auf dem Weg zu neuen Ufern. Ganz ohne Angst.
Ich werde unter der Rubrik Ayurveda einen Onlinetest einfügen, der meine, von einem Ayurveda Arzt festgestellte, Disposition bestätigt hat und somit recht vernünftig zu sein scheint, falls ihr auch neugierig seid, welches Dosha das eurige ist. Des Weiteren einen Test bezüglich der Geisteszustände (sattva, rajas und tamas) und allgemeine Empfehlungen meiner Lehrerin für einen ausgeglichenen Lebensentwurf für alle 3 Typen. All diese Links sind jedoch auf Englisch.